Niemandslandworte
Freitag, 8. Juni 2007
Prost.
J. hat Schmerzen. Sie verlacht sie zwar glockenhell mit ihrer dunklen Stimme, aber sie sind da. Schleichend wie der Tod, nahe wie das Gestern, greifbar wie unser Bier, das uns leicht macht wie Daunen-Federn und uns zaudern lässt. „Hast du vier Tabletten genommen?“, frage ich, und sie lächelt kühl und nickt. „Was wäre, wenn du keine nimmst?“, frage ich weiter, und sie schüttelt mich ab wie eine lästige Mücke, die kurzerhand erschlagen wird und sich krümmt im Todeskampf. Sie mag nicht, wenn ich frage, aber ich tue es trotzdem - oder ... [weiterlesen]
Sonntag, 27. Mai 2007
Was heißt Drecksstück auf chinesisch?
"Du und ich in alle Ewigkeit" steht im Betreff einer E-Mail, die mir J. heute schickt, mit Unmengen an chinesischen Schriftzeichen für die Tätowierung, die sie sich für uns ausgedacht hat. Sie erinnern sich? "Du und ich für alle Ewigkeit", sagte sie vor ein paar Tagen, "wir lassen uns tätowieren, damit wir ein Zeichen für unsere Ewigkeit haben." Bäh, chinesische Schriftzeichen, werden Sie jetzt sagen, und ich stimme Ihnen zu. Ich halte nichts von subtilen Botschaften in Form von Tätowierungen, die jeder drittklassige Popstar in Form eines Arschgeweihes spazieren ... [weiterlesen]
Mittwoch, 16. Mai 2007
Selber, du Drecksstück!
„Was machen wir zu unserem Jahrestag?“, fragt mich J. mit rauchiger Stimme, und ich muss lachen, weil Jahrestage eigentlich pubertierenden Teenie-Pärchen oder Sweet Sixteen-Freundinnen vorbehalten sind, die sich auf Diddl-Postkarten versichern, wie mega doll sie sich lieb haben und noch nicht ahnen, dass ihre Freundschaft wahrscheinlich zerbrechen wird, am Älter werden, am Wachsen und Reifen, am über sich Hinaus wachsen, an den Jahren, die alles verändern. Eigentlich. Aber es gibt Augenblicke, da muss man sich der Süße der vergangenen Zeiten stellen, der ... [weiterlesen]
Montag, 14. Mai 2007
Wann schreibst du wieder was?
J. hat sich eingenistet in meine Geschichten. „Wann schreibst du wieder was?“ fragt sie gestern um kurz nach Mitternacht. „Wann schreibst du wieder was?“ schreibt sie heute Morgen um neun. „Wann schreibst du wieder was?“, will sie am Nachmittag wissen, während sie nebenbei ins Leere tippt. Ich warte, bis die Straßenbahn unter meinem Fenster vorbeigefahren ist, lache leise und tippe selbst ins Leere: „Eine gute Geschichte muss mich finden, nicht ich sie“, sage ich und ziehe an meiner Zigarette. „Außerdem kann ich nicht immer ... [weiterlesen]
Samstag, 12. Mai 2007
J. ruft jeden Tag an.
„Was machst du?“ fragt sie. „Ich liege im Bett und schaue aus dem Fenster. Und du?“ „Ich kiffe.“ Es ist Nachmittag und die Sonne tanzt auf den Dielen, ich höre J. atmen. Vielleicht trägt sie ihre weiße Gemütlich-Hose und versucht unschuldig zu sein, vielleicht hat sie’s auch aufgegeben. J. kann nicht unschuldig sein, obwohl sie es gerne wäre, nicht für sich, aber für den Mann, den sie liebt, der irgendwann sagte, sie solle unschuldig sein. Sie hat es versucht, übte einen unschuldigen Augenaufschlag vor dem Spiegel ... [weiterlesen]
Donnerstag, 10. Mai 2007
Sieben Leben
Sie sagt, sie kann gar nicht so schnell laufen, dass ihr Ruf sie nicht überholt. Dort, in der Kleinstadt im Westen, wo man abends in den Straßen nie jemanden kennen lernt, weil man ohnehin schon alle kennt. „Du bist doch die Ex von H.“ kommt ein Typ vorbei und grinst schmierig, während J. mit ihren viel zu stark geschminkten Augen trotzig seinem Blick standhält. Sie sieht aus wie eine schwarze Katze, dort oben auf dem Barhocker, mit den langen Beinen, dem stolzen Blick und dem geschmeidigen Lächeln. Kämpfen, sagt sie, hat sie früh gelernt. Damals, ... [weiterlesen]